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Ist die Wissenschaft immer noch eine Männer*domäne?

Text von Julia Brader

Eine als weiblich* gelesene Person mit langem, lockigem Haar, von der in der Mitte des Bildes nur der schwarze Schatten zu sehen ist, schreibt mit erhobenem Arm auf ein Whiteborad, auf dem links im Bild bereits einige mathematische Formeln stehen. Das Foto ist in Schwarz-Weiß gehalten, rechts oben im Eck ist das Navigationsfeld eines PCs zu sehen.
© Pexels.com

Anlässlich des Internationalen Tages der Frauen* und Mädchen* in der Wissenschaft, der heute, am 11. Februar, begangen wird, ist es uns, dem Redaktionsteam des FUQS-Blogs, als Student*innen und Mitarbeiter*innen der Universität Innsbruck ein besonderes Anliegen, in diesem Beitrag genauer auf die historische und die aktuelle Stellung von Frauen* im Wissenschaftsbetrieb einzugehen. Wir wollen Ihnen und euch außerdem erläutern, warum die Wissenschaft immer noch überwiegend von Männern* dominiert wird und was dafür getan wird, Chancengleichheit im wissenschaftlichen Sektor zu erreichen.

Vom „Frauenstudium“ und den Entwicklungen an österreichischen Hochschulen

Lange Zeit war es Frauen* untersagt, an österreichischen Hochschulen zu studieren oder als Dozentinnen an Forschungsprojekten in diversen Bereichen mitzuarbeiten. Die vermeintlich objektive und geschlechtsneutrale Wissenschaft war bis ins 19. Jahrhundert (und darüber hinaus) „eine in hohem Masse «männlich» verzerrte“.1 Erst nach langen, konfliktreichen Auseinandersetzungen erkämpften sich Frauen* ihren Platz im akademischen und wissenschaftlichen Kontext, wenngleich sie zunächst nur eingeschränkten Zugang dazu hatten: An der Universität Wien wurden in den 1860er Jahren erstmals Debatten zur Einrichtung eines „Frauenstudiums“ geführt, im Wintersemester 1897/98 wurden dann zunächst Studien an der philosophischen Fakultät für Frauen* geöffnet, gefolgt vom Medizinstudium, das Frauen* ab dem Jahr 1900 zugänglich gemacht wurde.2 An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich zunächst um ein Privileg des weiblichen Bürgertums handelte, d.h. nicht alle Frauen* konnten sich ein solches Studium leisten und selbst die, die es konnten, waren nicht sofort gleichberechtigt.3 Am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck wurde dann im Jahr 1988 erstmalig eine ordentliche Professur mit dem expliziten Fokus auf „Frauenforschung“ im Bereich „Politisches System Österreich“ eingerichtet, nachdem 1978 bereits ein Seminar zum Thema „Frau und Politik“ angeboten worden war.4

Mehr weibliche Studierende und trotzdem weniger Frauen* in der Wissenschaft?

Heute ist der Anteil an Frauen*, die ein Studium an der Universität abschließen, deutlich gestiegen und beträgt – zumindest auf Bachelor- und Masterebene – sogar über 50%, wobei dieser Anteil je nach Fachrichtung mehr oder weniger stark variieren kann (siehe Grafik).5 Dies ist auch Ergebnis des 1993 eingeführten bundesweit geltenden Gleichbehandlungsgesetzes, zu dessen Grundsätzen die Verbesserung der Chancengleichheit von Männern* und Frauen* in allen beruflichen Bereichen und Ausbildungseinrichtungen zählt. Während also die allgemeine Zahl der Studienanfänger*innen und Bachelor- bzw. Masterabsolvent*innen auf die Kategorie Geschlecht bezogen annähernd ausgewogen ist – was andere Kategorien wie die Klassenzugehörigkeit oder race betrifft, kann davon nämlich noch lange nicht die Rede sein –, sind nicht einmal 20% der Universitätsprofessor*innen an der Universität Innsbruck weiblich. Diese vertikale Segregation setzt schon bei den Abschlüssen von Doktoratsstudien an und ist mit diversen gesamtgesellschaftlich relevanten Strukturproblemen in Verbindung zu bringen.6

Warum weniger Frauen* den Doktortitel machen

Flavia Guerrini, Erziehungswissenschaftlerin an der Universtität Innsbruck und Mitglied des Centers Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI), macht in einem Interview mit der Kronen-Zeitung deutlich, dass dieses Ungleichgewicht tief in den herrschenden gesellschaftlichen Strukturen und stereotypen Geschlechterrollenzuschreibungen verwurzelt ist. Bereits im frühen Alter werden Jungen* so erzogen, dass sie mehr Selbstbewusstsein und ein aggressiveres Konkurrenzverhalten entwickeln, wohingegen bei Mädchen* ein solches Auftreten tendenziell weniger toleriert bzw. sogar negativ konnotiert wird. Da Durchsetzungsvermögen, Stärke und Ehrgeiz aber Eigenschaften sind, die von Menschen in Führungspositionen – und auch in der Wissenschaft – erwartet werden, sehen sich Männer* und ihr gesellschaftliches Umfeld eher in der Lage, solche Positionen zu bekleiden. Hinzu kommt, dass bei Frauen* die besonders arbeitsintensive und stressige Qualifizierungsphase, also bspw. die Zeit der Arbeit an einer Dissertation, mit der Lebensphase zusammenfällt, in der die Familienplanung beginnt. Da die Aufteilung der Sorgearbeit immer noch geschlechterabhängig bzw. weiblich dominiert ist, sind es meistens auch die Frauen*, die nach der Geburt des Kindes Zuhause bleiben und die Erziehung übernehmen anstatt weiterhin ihre Karrierepläne zu verfolgen.7

Wie Frauen* in der Wissenschaft gefördert werden (sollten)

Um Chancengleichheit in der wissenschaftlichen Sphäre zu erlangen, wurden und werden bereits einige Maßnahmen ergriffen. Durch Frauen*förderprogramme wie FEMtech sollen Frauen* auf allen Hierarchieebenen integriert und strukturelle Barrieren abgebaut werden.8 Die Universität Innsbruck bietet darüber hinaus zahlreiche Stipendien, Projektförderungen und Preise zur Unterstützung von Nachwuchswissenschaftlerinnen* an, die unter folgendem Link einzusehen sind: https://www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/frauen_wissenschaft/.

Die Gleichstellung von Männern* und Frauen* in der Wissenschaft ist aber nicht nur Aufgabe der einzelnen Hochschulen, sondern auch von Bund und Ländern. Zwar wurde im Jahr 2002 ein Universitätsgesetz verabschiedet, das einen Frauen*förderplan und einen Gleichstellungsplan beinhaltet, doch in der Praxis könnte und sollte noch viel mehr dafür getan werden, um Frauen*, die gleichzeitig Wissenschaftlerinnen* und Mütter sind, zu entlasten. Vor allem muss es zur nachhaltigen Integration von Frauen* in die Wissenschaft ein gesamtgesellschaftliches Umdenken auch in der privaten Sphäre und v.a. bezogen auf die Sorgearbeit geben.

Quellen

1 Grisard, Dominique/Späti, Christina. „Geschlecht – Wissen – Wissenschaft. Eine Einleitung.“ In Geschlecht und Wissen – Genre et Savoir – Gender and Knowledge. Beiträge der 10. Schweizerischen Historikerinnentagung 2002, hrsg. v. Catherine Bosshart-Pfluger, Dominique Grisard und Christina Späti. Zürich: Chrono-Verlag, 2004. S. 11–23.

2 Ehrmann-Hämmerle, Christa. Frauen an der Universität Wien. 16.02.2015. Zugriff am 31.01.2022 https://medienportal.univie.ac.at/uniview/studium-lehre/detailansicht/artikel/frauen-an-der-universitaet-wien/

3Geschichtewiki Wien. „Frauenstudium“. 2018. Zugriff 03.02.2022 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Frauenstudium

4 Appelt, Erna & Rosenberger, Sieglinde. „Vom Konflikt zur Normalität. Institutionalisierung der Frauenforschung am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.“ In Von den Bemühungen der Frauen, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, hrsg. v. Gertraud Seiser und Eva Knollmayer, S. 217–226. Wien: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, 1994.

5 Statistik Austria. Studienabschlüsse an öffentlichen Universitäten nach Fachrichteungen 2008/09 und 2018/19. 2021. zugriff 02.02.2022. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/bildung/index.html

6 Universität Innsbruck. Frauen in der Wissenschaft. 2017. zugriff 02.02.2022. https://www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/frauen_wissenschaft/

7 Isser, Nadine. „Warum weniger Frauen den Doktortitel machen“. Kronen Zeitung. 2021 Zugriff 02.02.2022 https://www.krone.at/2562179

8 Pesau, Natascha. Chancengleichheit – wie weiblich ist die Wissenschaft. 11.11.2020. Zugriff 02.02.2022. https://www.austrianbiologist.at/aba/magazin/blog/2020/11/11/chancengleichheit/

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