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Aktivismus

Warum internationale Vernetzung in der sozialen Arbeit unerlässlich ist

Beitrag von Helen Schindler

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Soziale Arbeit ist nicht nur eine Frage lebensweltlicher Unterstützung – sie ist ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlicher Transformation und Aushandlungsprozesse. Umso wichtiger ist es, dass Organisationen und Projekte auf internationaler Ebene vernetzt sind, um voneinander zu lernen und innovative Ansätze zur Bekämpfung von Ungerechtigkeiten zu teilen. Das „Breathe Free“-Projekt in Leeds zeigt eindrucksvoll, wie wichtig internationale Zusammenarbeit und Austausch sind, um systemische Probleme wie geschlechtsspezifische Gewalt nachhaltig zu bekämpfen.

Globale Herausforderungen, lokale Antworten

Voneinander lernen: Best Practices teilen

Das „Breathe Free“-Projekt liefert ein Beispiel, wie lokale Initiativen und Projekte zur Bekämpfung von Gewalt konkret aussehen können. Es geht dabei um den Aufbau von Wissen und Fähigkeiten, die langfristige Veränderungen ermöglichen. Dieser Ansatz kann auch für Organisationen in anderen Ländern von großem Nutzen sein. Ein internationaler Austausch könnte neue Impulse geben und wichtige jahrelange Expertise weitervermitteln und anknüpfbar machen.

Barrieren überwinden: Die Notwendigkeit eines strukturierten Dialogs

Im Interview wurde deutlich, dass es bisher noch wenig Austausch auf internationaler Ebene gibt. Dies liegt oft an fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen, sowie mangelnder Zeit. Viele Projekte sind so stark in die unmittelbare Arbeit eingebunden, dass kaum Raum für strategische Netzwerkarbeit bleibt. Arbeit im Care-Bereich ist chronisch unterfinanziert und die Soziale Arbeit befindet sich immer in einem Spannungsfeld zwischen der Abhängigkeit von staatlichen, kirchlichen und privatwirtschaftlichen Trägern, sowie ihrem Auftrag und Handeln im Sinne ihrer Klient*innen. Eine kritische materialistisch queer feministische Perspektive auf dieses Spannungsverhältnis kann helfen, systeminhärente Machtstrukturen bewusst zu machen und Ansätze der kritischen Sozialen Arbeit weiterzudenken (Anhorn et.al, 2012, S. 7).  Wie Anhorn et.al beschreiben unterliegt sozialarbeiterisches Handlen ständigen “Erpressungsversuchen” durch wiederkehrende moralische sowie zunehmende neoliberalismus Appelle: Abwägungen wer beim Streik am meisten leidet und der Druck von Trägern effizienzorientiert zu arbeiten belastet ständig (vgl., ebd. S. 8).  Die Aushandlungsprozesse in der Alltagspraxis können leicht dazu führen den Blick für parallellaufende gesellschaftliche Prozesse auf der Metaebene zu verlieren. Wie Maurer ausführt, ist dafür unter anderem ein Lernen von sozialen Bewegungen und damit verbundener Geschichte kritischer Denkpraktiken zentral (Maurer, 2012, S. 308). Doch auch ein Austausch und Vernetzung mit anderen Einrichtungen mit transformativen Anspruch könnte helfen, strukturelle Hindernisse stärker zu thematisieren und innovative Ansätze zu verbreiten und sichtbar zu machen. 

Feministische Solidarität über Grenzen hinweg

Eine internationale Vernetzung von Organisationen, die geschlechtsspezifische Gewalt bekämpfen, ist auch ein Akt feministischer Solidarität. Der Austausch zwischen Aktivist*innen und Sozialarbeiter*innen in verschiedenen Ländern ist entscheidend, um die patriarchalen und kolonialen Strukturen zu durchbrechen. Dieser Austausch würde auch dazu beitragen, dass lokale Kämpfe besser in globale Kontexte eingebettet werden – sodass feministische Initiativen in Ländern mit weniger öffentlicher Unterstützung gestärkt werden.

Ein Aufruf zur Zusammenarbeit

Das „Breathe Free“-Projekt ist ein beeindruckendes Beispiel, wie transformative Arbeit lokal umgesetzt werden kann. Doch um nachhaltig erfolgreich zu sein, braucht es internationale Aufmerksamkeit und Zusammenarbeit, die auch zu einer nachhaltigen Förderstruktur beitragen kann. Ein struktureller Austausch, sei es über Konferenzen, Netzwerke oder gemeinsame Projekte, könnte das Potenzial solcher Initiativen enorm steigern. Feministische soziale Arbeit muss sich vernetzen, um eine wirklich transformative Kraft zu entwickeln.

Quellen und weiterführende Links

Anhorn, Roland; Bettinger, Frank; Horlacher, Cornelis & Rathgeb, Kerstin (2012): Zur Einführung: Kristallisationspunkte kritischer Sozialer Arbeit. In: Roland Anhorn, Frank Bettinger, Cornelis Horlacher & Kerstin Rathgeb (Hrsg.): Kritik der Sozialen Arbeit – kritische Soziale Arbeit. Frankfurt am Main: Springer, 1 – 26.

Maurer, Susanne (2012): ‚Doppelspur der Kritik‘ – Feministisch inspirierte Perspektiven und Reflexion zum Projekt einer ‚Kritischen Sozialen Arbeit‘. In: Roland Anhorn, Frank Bettinger, Cornelis Horlacher & Kerstin Rathgeb (Hrsg.): Kritik der Sozialen Arbeit – kritische Soziale Arbeit. Frankfurt am Main: Springer, 299 – 323

Interview am 23.07.2024 mit Molly Deakin und Helen Woods

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