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Alltag

Wie ich gelernt habe, mit dem Herzen zu sehen

Gastbeitrag von Kathi Bacher

Kathi Bacher steht unter einem Pavillon hinter einem Tisch mit Flyern vor einem Mikrofon und lächelt. Im Hintergrund hängen eine trans und eine nonbinary Flagge. Es stehen einige Menschen unter dem Pavillon oder davor und schauen zu Kathi.
© Martin Kink

Kathi Bacher hat im März und Juni bei verschiedenen Slam-Events in Tirol und am Trans Day of Visibility beim Landesmuseum einen Text vorgetragen, der ihre Erfahrung mit dem Transitionsprozess einer befreundeten Person auf berührende und liebevolle Art erzählt und vermittelt. Nun hat sie Auszüge dieses Textes für uns und euch zusammengeschrieben, kommentiert und in Kontext gesetzt. Sie beschreibt, wie es gelingen kann eigene Vorurteile zu überdenken und sich neu und empathisch auf andere Menschen einzulassen. Viel Spaß beim Lesen!

Eine Sache, die mich immer wieder auf eine liebevolle Weise mit Menschen verbindet, ist der Moment, indem sie mir von ihren Selbstzweifeln erzählen. Der Moment, indem wir akzeptieren – wir sind nicht vollkommen, nicht besser, fehlerhaft. In mir löst das eine Entspannung aus. Entspannung, Demut und Verbundenheit.

Mir ist es so übertrieben wichtig ein guter Mitmensch zu sein, dass meine Selbstzweifel laut hervortreten, wenn ich die Lebensart eines anderen Menschen nicht verstehe. Das kratzt an mir, möchte ich doch als Pädagogin möglichst emphatisch sein. Aufgewachsen in einem kleinen bayerischen Dorf, sind mir so einige Lebenswelten fremd. Und das Wort Transition wurde mir erst in meiner Uni Zeit wirklich präsent.

Wir haben uns kaum gekannt, du kamst zu mir rüber, hast mir deine Pronomen genannt. Wir haben zusammen getanzt und du bist mir direkt ins Herz gesprungen, doch dort habe ich noch mit alten Mustern gerungen. Wollte alles richtig machen, begann mich online zu erkunden, doch hab mit uns schnell herausgefunden, es ist wichtiger an dich die Fragen zu richten. Also raus aus dem Bekannten, Bequemen. Zuhören, denn ich wollte dich ernst nehmen. (…)

So beginnt ein Text, den ich auf einigen Poetry-Slam Bühnen präsentierte und hoffte er möge auch anderen Menschen ins Herz springen. Es ist nicht leicht, sich auf Neues einzulassen, Strukturen, die wir uns über Jahrzehnte in Gedanken verfestigt haben, neu zu gestalten. Das sorgt für unangenehme Gefühle und nicht immer weiß ich, wie mit denen umzugehen. Vor allem, wenn meine Lebenswelt in Frage gestellt wird. Jedoch gab es eine Zeit, in der es leichter war.

Wenn ich mit Kindern arbeite, erfreue ich mich oft an ihrer Direktheit im Fragen stellen und der anschließenden Akzeptanz. Da sieht ein Gespräch während dem Spiel gern mal so aus: „Was hast du da Komisches am Fuß?“ „Das hab ich schon immer“ „Aha.“ Anschließend spielen sie einfach weiter. Keine Befangenheit, kein Unbehagen. Ich mag das. Und ich kann das nicht.

Wenn mir etwas ungewöhnlich erscheint, zweifle ich erst Mal an mir. Wieso kenn ich das nicht? Wie geh ich jetzt damit um? Kann ich das ansprechen? Verletz ich die Person? Lieber ignorieren… einfach weggehen… Ich versteh auch, dass Menschen dann wütend werden, weil sie überfordert sind mit der Situation.

Es hat einige Jahre an Übung und positiven Erfahrungen gebraucht, um festzustellen, dass das Beste, was ich machen kann ist: Zugeben, dass ich verunsichert bin.

– Ich kenne mich damit noch nicht aus.
– Kannst du mir das erklären?
– Was heißt das genau?
– Ich fühle mich verunsichert, wie ich jetzt reagieren will.

„(…) Ich darf unsicher sein und trotzdem mit dir herumstrawanzen. Fehler machen, Fragen stellen, mir dumm vorkommen und weiter mit dir tanzen. (…)“

Ich weiß noch genau wie ich 2017 am Wohnzimmerboden von Bekannten lag und wir über trans Personen sprachen. Ich fand es komisch, verstand es nicht, konnte es nicht fassen, nach 22 Jahren Einteilungen in weiblich und männlich machte es in meinem Kopf keinen Sinn. Doch ich gab – zum Glück – nie auf es zu verstehen. 2020 war ich noch sehr befangen als in einem Gespräch das Thema plötzlich aufkam. Mein Gegenüber sagte: „Ich bin trans.“ Und ich verfiel in verunsichertes Schweigen. Das war Schade. Die Verbindung brach ab.

Letztes Jahr bekam ich dann nochmal die Chance meine Ängste zu überwinden und tat es. Ich fragte nach und im Zweifelsfall fragte ich, ob ich fragen durfte. Die Gespräche halfen mir in so vieler Hinsicht. Ich wurde nicht nur mit einer sehr ehrlichen und wertschätzenden Freundschaft beschenkt (probs to Malik), in meinem Kopf ging auch ein riesiger Knoten auf. Eine Perspektive einzunehmen, in der Geschlechterrollen keine Rolle mehr spielen, war zu dem Zeitpunkt unglaublich entspannend für mein ganzes Dasein.

Was bleibt dann – mehr Mensch, weniger Zwang und Ideal, mehr Ich.

“ (…) Du bist in erster Linie Mensch: du tanzt, du weinst, hast Wünsche, machst Fehler, verzeihst, du lachst, veränderst, verletzt und schreist, kennst Hass und Liebe und Ekel und Angst, alles andere ist eine Hülle, die du gestalten kannst. Wie du da mit deinen Sorgen am Ende warst, löste sich bei mir jegliche Kategorisierung auf, weil ich das nicht dafür brauch, um zu spüren, dass ich dich mag. (…)“

Es war also ein langer Prozess. Ich brauchte Zeit, Erfahrungen, Gespräche. Eventuell tat auch das Pädagogik Studium seinen Teil. Eventuell. Ziemlich sicher.

Heute löst das Wort trans keine Abwehr oder Angst in mir aus. Eher sehr viel Respekt.

„(…) Und ich will dich nennen, wie du es willst, weil es so schön ist zu sehen, wie stolz du dich dabei fühlst. Ich will deinen Prozess begleiten und mit dir jeden anstrengenden Schritt beschreiten, denn ich liebe es dich entfalten zu sehen. Ich will deine Narben, deine Ängste, deine Träume verstehn, denn all das ist so erfrischend ehrlich. So richtig wahr. (…)“

Ich fühle mich ein großes Stück freier, presse mich auch selbst weniger in Rollenerwartungen und kann offener auf andere zugehen . Das hilft mir in meiner pädagogischen und kreativen Arbeit, im Mit-Mensch sein, in meiner persönlichen Weiterentwicklung. Es eröffnet mir neue Spielräume, stärkt meine Vorstellung von Feminismus.

Eine Angst weniger, einmal mehr Zweifel gelöst und mir das Leben leichter gemacht. Es läuft ja doch immer wieder darauf hinaus, dass persönliche ehrliche Gespräche wundervolle Bildungsmomente sind. Vor allem, wenn dann Selbstzweifel ausgetauscht werden, das verbindet. Und verbunden lebt sichs so viel schöner, leichter, verspielter, freier – so bisschen wie bei den Kindern.

„(…) Was du nicht erkennst, während du zweifelst und den Sorgen Raum lässt, doch du weiter dein Ding machst, ist dass du in dem Schloss, das du Gesellschaft nennst, grad Mauern einschlägst und Türen einrennst, reißt Jahrhunderte alte Steine hinweg, alle anderen beschweren sich nur das es zieht, du errichtest einen prunkvollen neuen Saal und merkst überhaupt nicht was geschieht, lässt die Decke zum Regenbogen färben, auf jedem deiner Spuren liegt Glitzer drauf, siehst nur Kämpfe, Arbeit und Scherben, klar, du baust ja auch ne neue Welt grad auf, in der sich Menschen wohlfühlen die noch nie einer Einladung folgten, weil sie sich nicht verbiegen wollten. Ich sehe, wie du die dreckigsten Ecken entstaubst, ganz neu funkeln die alten Latten, du richtest alle Scheinwerfer neu aus, damit die sogenannten Schatten uns alle zum Strahlen bringen. Und ich seh so viel klarer. Weniger Geschlechter mehr Mit-Menschen. Danke, dass du drüber sprichst und mir meine alten Muster verzeihst. Ich durfte durch dich so viel verstehen. Danke, dass du mit dir auch mich befreist. Irgendwer meinte mal Mensch kann nur mit dem Herzen gut sehn – mit dir hab ich gelernt was das wirklich heißt.

Eure Kathi


Zur Autor*in:

Kathi Bacher ist Pädagogin, Schauspielerin und eine wichtige Persönlichkeit der Tiroler Poetry-Slam-Szene. Wenn ihr mehr über ihre persönlichen Gedanken-Befreiungs-Prozesse lesen wollt, dann könnt ihr das in diesem Büchlein: Katharina Bacher: Wenn du Träumen folgst. Life is a Story. Story.one publishing. 64 Seiten.

Oder Herzenskuschler über die Ohren gibt’s hier: https://cba.fro.at/513973.

Außerdem die Tirol Poetry Slam Meister*innenschaft zum Nachhören: https://cba.fro.at/623549

Den hier vorgestellten Redebeitrag gibt es in voller Länge auf dem instagram-Account des Queeren Chaos Kollektiv Tirol: https://www.instagram.com/p/CqdKSqfgNoc/

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